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Bundesverfassungsgericht kippt die Hofabgabeklausel

Im Zuge der Rentenreform 1957 in der damaligen BRD wurden auch die Landwirte durch das ALG in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen. Es wurde angesiedelt bei den Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als Sondersystem. Bis heute handelt es sich um eine Teilsicherung im Alter, die u.a. durch den finanziellen Erlös aus der sogenannten Hofabgabe oder Verpachtung ergänzt werden soll. Politische Ziel war es, durch die Verpflichtung zur Hofabgabe in § 11 Absatz 1 Nummer 3 des ALG den Bodenmarkt zu entlasten und den Generationenwechsel – besonders in der Familie sowie zugunsten junger Landwirte – zu forcieren. Das konnte in der alten BRD sinnvoll sein, hat aber bei den Strukturen, die sich in den neuen Bundesländern entwickelt haben, seinen Sinn verloren.
Wer nicht sich nicht nach § 3 Abs. 1 ALG befreien ließ, mußte bei Renteneintritt juristische Klimmzüge machen, um ohne tatsächliche Betriebsabgabe seine schmale Rente zu erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß 1 BvR 97/14 und 1 BvR 2392/14 die Pflicht zur Abgabe des Landwirtschaftlichen Betriebes im Gegenzug für die Rentenzahlung gekippt.

Nachfolgend die Begründungen:
„ § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte … mit Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar.“
Damit die Hofübergabe als Voraussetzung eines Rentenanspruches gekippt.
„Ein Rentenanspruch steht dem Landwirt aber nur dann zu, wenn er das landwirtschaftliche Unternehmen entsprechend einer der in § 21 ALG genannten Alternativen abgibt. Insofern wird auf den Landwirt ein mittelbarer faktischer Druck zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erzeugt. Der Landwirt kann sich zwar nach wie vor frei entscheiden, ob er das landwirtschaftliche Unternehmen abgibt oder weiterführt; aber nur im Falle der Abgabe erhält er eine Rente. Nur wenn eine Rente bewilligt wird, war es jedoch für den Landwirt letztendlich wirtschaftlich sinnvoll, jahrzehntelang Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte zu leisten. Bei der Nichtabgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erhält er für diese Beitragsleistung keine Gegenleistung. Die geleisteten Beiträge gehen vollständig verloren. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge hat derjenige Landwirt, der keine Rente in Anspruch nimmt, nicht. Die Wirkung des Verlustes der geleisteten Beiträge bei der Nichtabgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens wird dadurch verstärkt, dass der Landwirt nicht frei entscheiden kann, ob er Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterssicherung leistet. Denn als Landwirt ist er gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG grundsätzlich in der landwirtschaftlichen Alterssicherung versicherungs- und beitragspflichtig.“
Weiterhin wird ausgeführt:
„Die Hofabgabepflicht als Voraussetzung eines Rentenanspruchs erzeugt einen mittelbaren faktischen Zwang zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens, der in das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Sacheigentum der Landwirte eingreift. Im Ergebnis verliert der Landwirt bei Nichtabgabe völlig seine Rente oder seinen Hof, obwohl er beide in der Regel zur Alterssicherung benötigt. Die Hofabgabepflicht belastet ihn im Alter schwer.“

Fazit:
„§ 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG wird insgesamt für unanwendbar erklärt, weil es dem Gesetzgeber obliegt, die Fälle einer Unzumutbarkeit der Hofabgabe näher zu bestimmen. § 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ALG bleiben hingegen weiter anwendbar. Von einer Nichtigerklärung (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG) wird abgesehen, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, die Verfassungswidrigkeit zu beheben.“

Nachtrag:
Seit Oktober 2018 bewiligt die Sozialversicherung vorläufig Renten ohne Hofabgabe.
Seit Dezember 2018 endgültig, da die Bundestag die Hofabgabeklausel endgültig gestrichen hat.


Neue Hürden für die Befreiung von der Versicherungspflicht

Seit 1.10.2022 ist eine Befreiung aufgrund eines außerlandwirtschaftlichen Erwerbseinkommens nur noch möglich, wenn das jährliche Einkommen „mehr als das Zwölffache der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Abs. 1 SGB IV“ beträgt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG).
Nachdem der gesetzliche Mindestlohns auf 12,41 Euro/Arbeitsstunde erhöht bwurde, steigt ab 1.1.2024 die Geringfügigkeitsgrenze auf 538 Euro monatlich und die AdL-Befreiungsgrenze auf 538 Euro x 12 = 6.456 Euro p.a.


Beiträge zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung steigen zum 01.01.2024

Zum 1.1.2024 ändern sich die Beiträge zur AdL. Der Beitrag in den alten Bundesländern steigt auf monatlich 301 Euro (Vorjahr: 286 Euro), in den neuen Bundesländern auf 297 Euro (Vorjahr: 279 Euro) und zum 01.07.2024 mit Vollendung der Ost-West-Angleichung auf 301 Euro. Dannt sind die Beiträge bundesweit einheitlich. Mit den höheren Beiträgen erhöht sich auch der Zuschuss zum AdL-Beitrag. Der monatliche Höchstzuschuss von 60 % des Beitrags liegt in den alten Bundesländern ganzjährig und in den neuen Bundesländern ab 1.7.2024 bei 181 Euro (Vorjahr: 172 Euro). Bis 30.06.2024 beträgt der Höchstzuschuss in den neuen Bundesländern aufgrund des niedrigeren Beitrags zur AdL 178 Euro (Vorjahr: 167 Euro). Der Höchstzuschuss wird bei einem jährlichen Einkommen von bis zu 30 % der jeweiligen Bezugsgröße in der Sozialversicherung gewährt, im Jahr 2024 bis zu einem jährlichen Einkommen von 12.672 Euro bzw. 25.344 Euro bei Ehepaaren. Ab einem Jahreseinkommen von 25.344 Euro für Alleinstehende bzw. 50.688 Euro für Verheiratete gibt es keinen Zuschuss. Die Werte für dier neuen Bundesländer bis zum 30.06.2024 : Höchstzuschuss bis zu einem Einkommen von 12.474 Euro (Ehepaare 24.948 Euro), kein Zuschuss ab 24.948 Euro (Ehepaare 49.896 Euro) Einkommen. Ab 1.7.2024 gelten dann einheitliche Werte.


Deutlichiche Beitragserhöhungen der landwirtschaftlichen Krankenversicherung (LKV)

 Der Beitrag aktiver Landwirte steigt 2024 um durchschnittlich 8,1 Prozent. In den Beitragsklassen 1 und 2 sowie 20 aufgrund gesetzlicher Vorgaben nur um 5,3 Prozent bzw. 5,1 Prozent. Zur Berücksichtigung gestiegenen Einkommenswerte der AELV 2024 und einem damit verbundenen Wechsel in die höhere Beitragsklasse, wurde die Beitragsklassenspanne von 5.600 Euro auf 6.000 Euro erhöht.