Der Wirtschaftsforscher Professor Friedrich Heinemann schreibt in FAZ v. 16.11.2018 unter dem Titel „ Hilfen für Europas Bauern: 250 Milliarden Euro für nichts?“ den europäischen und nationalen Politikern und der Branche vergessene Wahrheiten ins Stammbuch. Hier zwei seiner Feststellungen:
Zum Thema Cross-Compliance stellt er fest:
„Der Landwirtschaft wird hier gegenüber anderen Sektoren ein erstaunliches Privileg zugeteilt: Betriebe erhalten einfach Geld dafür, dass sie Gesetze beachten. Man stelle sich in der Diskussion über den Abgasskandal in der deutschen Automobilindustrie einmal vor, die Bundesregierung zahlte künfzig diesen Unternehmen dafür Prämien, dass sie kein Recht brechen. Die Cross-Compliance-Regeln folgen diesem bizarren Ansatz.“
Zum Traum vom kleinen Bauernhof als grünes Leitbild schreibt er:
„Belastbare Daten, dass kleine Bauernhöfe systematisch umweltgerechter produzieren als große, existieren nicht. Im Gegenteil stehen kleine Höfe auf Grund ihrer geringen Produktivität unter einem größeren Kostendruck als große Betriebe und haben weniger Spielraum für Umweltstandards oberhalb der gesetzlichen Auflagen. Der Versuch, diese Kostennachteile durch gezielte Subventionierung von kleinen Höfen auszugleichen, käme dem Versuch gleich, Skalenerträge in de landwirtschaftlichen Produktion zu verhindern. Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen eines der vertraglichen Ziele der GAP, die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen. Dies würde letztendlich auch die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft zur Erbringung von kostspieligen Umweltleistungen verringern.“
Fazit: Es ist notwendig, daß Nicht-Landwirte querdenken und den vermeintlichen Konsens im Tunnelblick in Frage stellen.
Sehr geehrter Herr Professor Heinemann,
mit großem Interesse habe ich Ihren heutigen Beitrag in der FAZ gelesen. Es ist gut, wenn jemand ohne Tunnelblick das Thema GAP und CC analysiert.
Sie erwähnen drei Rechtfertigungsversuche für den aufgeblähten Agrarhaushalt der EU. Aber diese lenken davon ab, daß es sich zumindest bei den flächenbezogenen Zahlungen um ein System der Kosumgütersubvention mit der Gießkanne handelt. Ziel ist es – das ist in Vergessenheit geraten – die Lebensmittelpreise ( panem et circenses) zu deckeln – vergleichen Sie die Preisentwicklung der Lebensmittel in der BRD mit anderen Produktgattung sowie den Anteil von Lebensmitteln am verfügbaren Einkommen. Tatsächlich bleiben die flächenbezogenen Zahlungen nicht in den Bilanzen der Betriebe als zusätzliche Gewinne hängen. Sie werden abgesogen von steigenden Landpreisen und überhöhten Pachten (in Ostdeutschland ist die BVVG der größte Profiteur, der dem Bund mit überhöhten Land- und Pachtpreisen einen Teil der Agrarsubventionen zurückholt). Was von den Zahlungen im Landwirtschaftsbetrieb verbleibt, ist die Kompensation niedrigerer Erlöse für die Primärprodukte. Und so schließt sich der Kreis der eigentlich nicht kostendeckenden Nahrungsmittelproduktion mit der Gießkanne.
Ich habe bisher niemanden von folgendem überzeugen können:
Zumindest keine flächenbezogenen Zahlungen, der Landwirtschaftsbetrieb verkauft zu Vollkosten. Nahrungsmittepreise können steigen. Bedürftige Konsumenten sind in der ganzen EU bekannt, diese erhalten einen Lebensmittelzuschuß - also Nahrungsmittelsubvention für tatsächlich bedürftige. Da Nicht_EU-Länder weiterhin ihre Landwirtschaft subventionieren, wird die dortige Subvention mit Importzöllen egalisiert. Exporte werde umgekehrt egalisiert.
Aber damit haben wir ein gravierendes menschliches Problem: Die Verwaltung, Vergabe, Kontrolle von 40 % des EU-Budget habt auf der Ebene der EU, der Länder bis hin zu den Landwirtschaftsämtern, bis zu Kammern und Beratern einen gewaltigen Beschäftigungseffekt. Diese Personen werden nicht mehr gebraucht – also werden sie alles tun, daß es nicht so weit kommt – eher wird aller verkompliziert, um noch mehr Personal einstellen zu können.
Mit freundlichem Gruß
Dipl.-Volkswirt Arno Reis
Lieber Herr Reis,
haben Sie vielen Dank für Ihre Reaktion und die weiterführenden Überlegungen. Sie skizzieren ein interessantes Modell. Was die Job-Verlust für die mit den heutigen Subventionen betrauten Bürokraten anbelangt, so hätte man sicher andere Verwendungen für diese. Aber Sie haben natürlich Recht: Der Widerstand aus dieser Ecke ist gewaltig. Man merkt das auch in Deutschland an den Positionierungen der Landwirtschaftminister im Bund und in den Ländern.
Mit besten Grüßen aus Mannheim
Friedrich Heinemann